Definition
Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis, Hirudo officinalis) gehören zur Unterklasse der Egel (Hirudinea). Sie leben überwiegend in Süsswassergewässern. An Land bewegen sie sich mithilfe ihrer beiden Saugnäpfe fort. Die bräunlich-schwarzen Tiere können bis zu 15 cm lang werden und das Fünffache ihres eigenen Gewichts an Blut saugen.
Herkunft
Der Einsatz von Egeln zu medizinischen Zwecken zählt zu den ältesten überlieferten therapeutischen Verfahren. Früheste Belege der Blutegeltherapie stammen aus dem alten Mesopotamien und aus Ägypten. Im Zweistromland setzte man die blutsaugenden Tiere bereits um 3300 v. Chr. ein. Die in der traditionellen indischen Heilkunde praktizierte Blutegelbehandlung geht auf den mythischen Arzt Dhavantari zurück. Er brachte der Überlieferung zufolge der Welt die traditionelle indische Heilkunde und wurde mit einer Schale Nektar in der einen und einem Egel in der anderen Hand bildlich dargestellt. Auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) war die Therapieform bekannt. Im europäischen Raum wurde sie insbesondere von den griechischen Ärzten Nicandros von Kolophon (200 bis 130 v. Chr.) und Galen (129 bis 199 n. Chr.) angewendet. Nach der Antike gehörte sie zum medizinischen Standard. Gleichzeitig bediente sich die Volksheilkunde des erfolgreichen Verfahrens.
Grundlagen
Bei der Blutegeltherapie setzt man das in einem Röhrchen befindliche Tier mit dem Kopf auf die zu behandelnde Hautstelle auf. Es saugt sich auf der Haut des Patienten fest. Und schneidet diese mithilfe seiner drei mit messerscharfen Zähnchen besetzten Kiefer auf, sodass eine kleine dreieckige Wunde entsteht. Während des Blutsaugens sondern die Speicheldrüsen ein aus mehr als 20 Proteinen zusammengesetztes Sekret ab. Hat der Egel genügend Blut aufgenommen, fällt er von allein ab. Hirudo medicinalis saugt bis zu 10 Milliliter Blut, was einem kleinen Aderlass entspricht. Die in seinem Speichel enthaltenen blutgerinnungshemmenden Stoffe Hirudin, Bdellin, Eglin C, Calin und Apyrase sorgen für die therapeutisch notwendige Nachblutung (Wundreinigung). Eglin C wirkt bei Patienten mit Arthrose, Arthritis und Rheuma zusätzlich entzündungshemmend und schmerzlindernd. Hirudin hat eine entzündungshemmende, lokal begrenzte krampflösende und den Lymphstrom aktivierende Wirkung. Der mithilfe der medizinischen Egel durchgeführte sanfte Aderlass verdünnt das Blut und hat einen entstauenden Effekt. In der modernen Schulmedizin kommt die Blutegeltherapie insbesondere nach plastischen Rekonstruktionen zerstörter Knorpel und der Replantation abgetrennter Gliedmassen zum Einsatz. In diesem Fall regen die Egel die Zirkulation des venösen Blutes an. Die Naturheilkunde kennt diverse Anwendungsgebiete wie zum Beispiel Venenerkrankungen (Thrombosen), entzündliche Krankheiten (Rheuma, Arthritis) und lokale Infektionen wie Furunkel.