Definition
Plastisch-therapeutisches Gestalten gehört zu den Kunsttherapien der anthroposophischen Medizin (von griechisch ἄνθρωπος = Mensch und σοφία = Weisheit), die der österreichische Philosoph Rudolf Steiner (1861 – 1925) zusammen mit der holländischen Medizinerin Ita Wegman (1876 – 1943) entwickelt hatte. Steiner und Wegmann kombinierten ab 1920 das anthroposophische Menschenbild mit der Schulmedizin.
Ab 1921 entstanden zunächst in Stuttgart und Arlesheim (Baselland) klinische Einrichtungen, die den neuen medizinischen Ansatz praktizierten. Heute ist er weltweit verbreitet. Zu diesem Ansatz gehören sogenannte plastische Formimpulse, welche diese Therapieform aufgreift.
Anwendung
Die Therapieform des plastischen Gestaltens eignet sich sehr gut bei physischen Beschwerden, so unter anderem bei Übergewicht, bei dem einer aufbauenden Stoffwechseltätigkeit keine begrenzenden Kräfte entgegenstehen. Die formende und gliedernde Arbeit an einer Plastik zeigt durch Formung die nötigen Grenzen auf. Die Patienten stellen aus verschiedenen Materialien Plastiken her, die sie vollkommen frei gestalten können.
Die plastischen Form- und Metamorphosenübungen verhelfen dem Patienten zu einem Kräftegleichgewicht: Sie stärken die Ich-, Formungs- und damit Lebenskräfte. Plastisches Arbeiten führt zu einem ganzheitlichen Erleben. Es entstehen Skulpturen, die als Selbstausdruck des Patienten zu deuten sind. Sie bewirken einen persönlichen Wandlungsprozess. Dieser drückt sich unter anderem in Verwandlungswegen von liegenden zu stehenden Formen aus.
Grundlagen
Die anthroposophische Menschenkunde unterteilt jeden Menschen in die drei Regionen Nerven-Sinne, Stoffwechsel-Gliedmaßen und rhythmisches System im Thoraxbereich. Diese Regionen beeinflussen sich und müssen in Harmonie zueinander stehen. Krankheiten entstehen demnach, wenn die Harmonie gestört ist. Die Behandlung muss die verschiedenen Kräfte (antroposophisch: Wesenseinheiten) ausbalancieren.
Gleichzeitig betrachtet die Anthroposophie eine Krankheit nicht als Defekt, sondern als Chance zur Neuorientierung und Weiterentwicklung. Krankheiten sind nach antroposophischer Auffassung Äußerungen der Seele. Daher ist für die Antroposophie jede Kunsttherapie ein bevorzugtes Mittel der Wahl. Neben dem Arbeiten an Plastiken werden auch sehr gern eine Mal- oder Musiktherapie sowie die Sprachgestaltung verordnet.
Dabei begleitet ein Therapeuten die künstlerischen Arbeiten des Patienten und unterstützt damit den (nach antroposophischer Auffassung) Entwicklungsprozess der Seele, den die Schulmedizin als schlichten Heilungsprozess auffasst. Die Begrifflichkeiten sind allerdings unerheblich: Dass Kunsttherapien durchaus wirksam sind, ist erwiesen. Die künstlerischen Eigentätigkeit von Patienten fördern absolut ihren Heilungsprozess.
Formen, Farben, Musik und Sprache regen die Eigenaktivität an. Welche der Kunsttherapien am besten geeignet ist, hängt von den Bedürfnissen, Beschwerden und nicht zuletzt den Fähigkeiten eines Patienten ab.